Kaderzusammenstellung 2015/2016 – Eine Analyse

Rien ne va plus! Nichts geht mehr! Mit dem 1.9. hat das Transferroulette geschlossen. Auch beim SC Preußen drehte sich einiges in den letzten Wochen. Zwölf Abgängen stehen 13 Neuzugänge gegenüber. Der Verein vollzog einen Umbruch und senkte den Altersschnitt drastisch. Im entscheidenden Moment wurde jedoch, hart formuliert, versagt! Doch der Reihe nach.

Bereits beim letzten Saisonspiel der abgelaufenen Spielzeit gegen die Zweitvertretung von Borussia Dortmund verteilte der Verein elf Blumensträuße. Mit Siegert, Masuch, Truckenbrod, Hergesell und Patrick Kirsch verließen den Verein Spieler, die das Gesicht der Mannschaft über Jahre geprägt hatten. Doch auch sie wurden nicht jünger und es war klar, dass ein gewisser Zenit irgendwann überschritten wurde. Verjüngung war also das Stichwort und dies sollte sich auch durch die Transferperiode als roter Faden durchziehen. Das Durchschnittsalter der Zugänge beträgt 22,8 Jahre, das der Abgänge 28,5.

Verjüngung im Tor

Im Tor fand womöglich der größte Umbruch statt. Satte 17 Jahre unterscheiden die neue Nummer eins Niklas Lomb zu seinem Vorgänger Daniel Masuch. Lomb war bereits der zweite Neuzugang, somit konnte diese Baustelle frühzeitig und qualitativ zufriedenstellend abgeschlossen werden. Lomb genoss seine Ausbildung bei Bayer Leverkusen, das mittlerweile vom ehemaligen Preußen-Trainer Roger Schmidt trainiert wird. In der Rückrunde der Saison 2014/2015 stellte er seine Qualitäten beim Halleschen FC unter Beweis, die ihn auch gerne behalten hätten. Doch Lomb entschied sich für das Angebot des SCP, ist jedoch nur für eine Saison ausgeliehen. Neben guten Reflexen zeichnet ihn besonders das lautstarke Dirigieren seiner Vorderleute auf dem Platz aus. Die beiden weiteren Plätze im Kader wurden beibehalten. Max Schulze Niehues bleibt der Back-Up und Marco Aulbach verlängerte seinen auslaufenden Vertrag um eine weitere Saison. Hier dürfte Ralf Loose wohl die wenigsten Sorgen haben.

Viel neues Personal in der Abwehr

Anders gestaltet sich das wohl in der Abwehr. Mit Simon Scherder verletzte sich einer der Hoffnungsträger und Identifikationsfiguren bereits im zweiten Testspiel schwer. Der Innenverteidiger erlitt einen Kreuzbandriss und wird frühestens im neuen Jahr wieder eine Alternative darstellen. Marc Heitmeier bleibt die Konstante in der Innenverteidigung, neben ihm hat sich, der eigentlich schon abgeschobene, Marco Pischorn etabliert. Dies kam überraschend doch dieser überzeugte in den ersten Partien der Saison mit bärenstarken Leistungen. Dem zuletzt suspendierten Dominik Schmdit weint mittlerweile wohl kaum jemand eine Träne hinterher. Hinter Pischorn anstellen muss sich also Chris Philipps. Der luxemburgische Nationalspieler wurde, wie Lomb, für eine Saison vom französischen Erstligaabsteiger FC Metz ausgeliehen. Er hinterließ in auf dem Platz keinen schlechten Eindruck, doch erhielt im zweiten Spiel gegen den VfB Stuttgart II eine unglückliche rote Karte und kommt seit dem an Marco Pischorn nicht mehr vorbei. An dieser Stelle muss man Carsten Gockel ein Lob aussprechen. Wohl den wenigsten (mich eingeschlossen), war Philipps wohl ein Begriff. Doch hat er bereits aufblitzen lassen, dass er mehr als nur eine Alternative sein kann. Sich in seiner ersten Seniorensaison an das Tempo gewöhnen, soll sich Lion Schweers, der aus der A-Jugend aufrückt.

Auf den Außenverteidigerpositionen müssen sich die Preußen in dieser Saison an einige neue Namen gewöhnen. Mit Aaron Berzel, Thorsten Schulz, Julian Riedel, Philip Röhe & Fabian Hergesell verließen den Verein dort gleich fünf Spieler. Kevin Schöneberg bleibt dort die einzige Konstante, hat jedoch immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Mit Björn Kopplin konnte Carsten Gockel einen erfahrenen Verteidiger gewinnen, der bereits über 90 Einsätze im Unterhaus vorzuweisen hat. Bei Stephane Tritz, der aus Brest (Frankreich) nach Münster stieß, verhält es sich wie bei Chris Philipps. Kaum jemand kannte ihn, in den Testspielen überzeugte er, kam jedoch bisher nicht an Kopplin vorbei. Kopplins Pendant auf links ist seit dieser Saison Felix Müller. Der Blondschopf kam vom FSV Mainz 05 II zu den Westfalen und überzeugte vom ersten Tag an mit seinem Offensivdrang und aggressivem Deckungsverhalten. Mit 22 ist seine Entwicklung noch nicht abgeschlossen und der SCP dürfte noch Freude an ihm haben. Ersetzen könnte ihn Benjamin Schwarz, der jedoch vorzugsweise im defensiven Mittelfeld eingeplant ist.

Auch im Mittelfeld viele neue Gesichter

Wo wir bereits bei der nächsten Position wären. Der Verlust von Erik Zenga machte sich bereits in der Rückrunde schmerzhaft bemerkbar und Jens Truckenbrod beendete seine Karriere. Somit klaffte dort eine große Lücke und es bestand Handlungsbedarf. Der bereits erwähnte Benjamin Schwarz wurde von der SpVgg Unterhaching als Führungsspieler verpflichtet. In den vier Partien in denen er zwei Gelb-Rote-Karten erhielt, blieb er diesen Beweis jedoch schuldig. Dort ist noch Luft nach oben, diese zu atmen, traue ich ihm jedoch jederzeit zu, sofern eine Steigerung zu sehen ist. Als dritter Leihspieler durften Sportdirektor Carsten Gockel und Trainer Ralf Loose Charles Elie Laprevotte begrüßen. Aus dem Freiburger Breisgau ging es für ihn nun in die Domstadt. Der Franzose bestach durch gescheite Pässe und gutes Stellungsspiel. Die Prognose, dass die dritte Liga nicht das Ende seiner Fahnenstange sein wird, ist zumindest nicht gewagt. Danilo Wiebe, der die Geißböcke verließ, um den Adler auf der Brust zu tragen, sammelte in den ersten Partien seine ersten Drittliga Minuten. Wenn er sich weiterhin an das Tempo in Liga drei gewöhnt, dürfte auch er mit seiner Aggressivität und Passsicherheit den Adlerträgern auch noch Spaß bereiten. Amaury Bischoff, der erst im Januar bis 2018 verlängerte, dirigiert weiterhin aus der Zentrale das Spiel der Preußen.

Auf den Außenbahnen machte Benni Siegert in den letzten Jahren stets Tempo und Dampf. In den ersten Spielen der aktuellen Saison fand sich dort Marcus Piossek wieder. Die wohl meistdiskutierteste Personalie des Sommers verließ den SCP am Ende der Transferphase doch noch. Sportlich schmerzt der Abgang freilich, seinen wahren Charakter stellte er jedoch in einem Bild-Interview unter Beweis. Auch der Betrag, den der 1. FC Kaiserslautern stimmt letztendlich. Was daraus gemacht wurde, jedoch nicht. Doch dazu später mehr. Ihn zu ersetzen wird nun die Aufgabe von Philipp Hoffmann und Cihan Özkara. Erstgenannter verletzte sich in der Vorbereitung für einige Wochen, zeigte jedoch in Halle am vergangenen Wochenende eine starke Leistung und ist auf dem aufsteigenden Ast. Seine Antritts- und Handlungsschnelligkeit soll Piossek möglichst schnell vergessen machen. Denn Cihan Özkara, Neuzugang aus der Türkei, zeigte im Saisoneröffnungsspiel gegen Hannover eine starke Leistung, stagnierte dann jedoch aufgrund mangelnder Spielpraxis. Zudem stieg er erst spät ins Training ein. Seine Qualität ist dennoch unumstritten und in wenigen Wochen dürfte der SCP-Fan auch von ihm eine Leistungssteigerung zu sehen kommen.

Auf der linken Seite wirbelt weiterhin Mehmet Kara. Dieser wird mit 240 Einsätzen dann aller Vorraussicht nach in zwei Spielen auf Platz zwei der Rekordspieler des SC Preußen Münster rutschen. Doch dies nur am Rande. Kaum ein Spieler dürfte wohl so polarisieren wie Mehmet Kara. Genialen Dribblings folgen desöfteren gescheiterte Alleingänge, dennoch kann der SCP sich glücklich schätzen, einen Unterschiedsspieler wie Mehmet Kara in seinen Reihen zu haben. Dass er zudem auch ein geniales Auge besitzt, bewies er am zweiten Spieltag, als er einen Assist-Hattrick schafft. Dahinter bleibt es jedoch erst mal leer.

Nur wenig Veränderung im Angriff

Jesse Weißenfels könnte dort spielen. Der 23-jährige kam mit der Empfehlung von 20 Toren in der Regionalliga West für die Sportfreunde Lotte an die Hammer Straße. Seit den ersten Trainingseinheiten plagt ihn jedoch eine Entzündung am Fuß. Wann diese abklingt ist jedoch ungewiss, der Verein hofft auf eine Rückkehr im Oktober. Planbar ist dies jedoch nicht. So gibt es zahlreiche prominente Beispiele, die mit diversen Entzündungen länger ausfielen, als zunächst vermutet. So müssen zunächst andere im Sturm die Kohlen aus dem Feuer holen, beziehungsweise das Runde ins Eckige bringen. Wie Philipp Hoffmann verletzte sich auch Marcel Reichwein für ein paar Wochen in der Vorbereitung. Seinen Platz nahm Rocky Krohne in den ersten Partien der noch jungen Saison ein. Es ist jedoch offensichtlich, dass seine Qualitäten mehr in der Rolle des Jokers liegen. Reichwein feierte am Wochenende mit zwei Toren von der Bank ein grandioses Comeback, eine Alternative im Mittelsturm wäre jedoch (aus persönlicher Sicht) dringend notwendig gewesen. Lennart Stoll soll wie Lion Schweers an die Mannschaft heranwachsen, trainiert mit, holt sich seine Spielpraxis jedoch in der Zweitvertretung. Zudem steht die weitere Entwicklung von Abdenour Amachaibou auch in den Sternen. Seinem umjubelten Ausgleichstreffer gegen Großaspach im ersten Saisonspiel folgten durchschnittliche Partien, dies trifft jedoch auf die gesamte Mannschaft zu. Gegen Stuttgart II und Mainz II wurde er frühzeitig ausgewechselt, beide Male aus taktischen Gründe, für viele Fans jedoch nicht nachvollziehbar. Ob die Kombination Amachaibou – Loose jemals funktionieren wird, dahinter steht zumindest ein dickes Fragezeichen.

 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Umbruch mit jüngeren Spielern zunächst geglückt scheint. Angesichts einiger Ein-Jahresverträge (z.B. Müller o. Kopplin) und Leihen (Laprevotte, Lomb, Philipps), gepaart mit auslaufenden Verträgen dürfte der nächste Umbruch bereits im nächsten Jahr bevor stehen. Insofern ist es schwierig, der Mannschaft die Zeit zu geben, die sich durchaus benötigt, wenn sie sich in Kürze eh wieder komplett verändert. Finanziell gesehen machte der SCP durch den Verkauf von Marcus Piossek einen deutlichen Gewinn. Dennoch sollte die kritische Nachfrage erlaubt sein, wieso man, entgegen voriger Aussagen, einen Leistungsträger ziehen lässt, jedoch im Umkehrschluss nicht noch einmal sportlich nachbessert. Wenn  Spieler wie Benyamina, Sukuta-Pasu, Wegkamp oder Oehrl am Ende des Transferfensters auf dem Markt ist und man erhebliche Einnahmen hat, fragt man sich schon, wieso dort nicht nachgebessert wurde. Seit über einem Jahr ist man nun auf der Suche nach einem passenden Sturmpartner für Marcel Reichwein. Gerade Benyamina hätte ideal gepasst. Als Spieler, der Bälle abschirmt, bis die Mitspieler nachrücken und Räume schafft, wäre er der optimale Sturmpartner für einen klassischen Knipser wie „Cello“ gewesen. Wenigstens hat man diesmal auf Experimente wie Atlason verzichtet. Auch dort widersprachen sich die Aussagen vom Winter, dass man nur Spieler holt, die sofort weiterhelfen, wenn man sich den weiteren Werdegang des jungen Isländers anschaut. Auch auf der linken Seite klaffte eine große Lücke hinter Mehmet Kara und im Angriffsbereich herrscht bei einem Linksfuß Fehlanzeige. War ich in der vergangenen Saison noch voll des Lobes über die Transferpolitik der Verantwortlichen, fällt es mir diesmal schwer, komplett positiv zu denken, zumal der gespielte Fußball nach knapp einem Fünftel der Saison mehr als zu wünschen übrig lässt. Dies liegt sicher auch am Trainer. Bei den Fans im Internet wird bereits spekuliert, dass ein Teil der Ablöse in die Abfindung des selbigen mündet. Dies wäre jedoch, um es mit Masematte auszudrücken, äußerst schovel. Man nimmt einem Trainer einen Leistungsträger weg und will ihm bei ausbleibendem Erfolg dann vor die Tür setzen. Kein guter Stil. Ebenso wie den Fans gegenüber, denen versichert wurde, man rede nicht über Beträge sondern Verträge. Auch in der Zielsetzung für eine Spielzeit fühlt sich der Fan eventuell ein wenig verladen. Hieß es im vergangenen Jahr bereits, man habe eine Übergangssaison vor sich, wurde dies nun erneuert. Erneuert sich die Mannschaft nächstes Jahr hingegen wieder, wird auch diese Phrase aller Wahrscheinlichkeit nach wieder aus der Schublade geholt. Als Fan wünscht man sich natürlich Entwicklung, im Moment sieht es jedoch eher nach Stagnation aus. Man sieht sich selber als Schwergewicht der 3. Liga. Die Ambition die Liga nach oben hin zu verlassen, scheiterte vor zwei Jahren grandios. Seitdem schaut man von Saison zu Saison und das Ganze wirkt nicht komplett planlos, ein klarer roter Faden ist jedoch auch nicht erkennbar. Ob ein sportlicher Leiter Abhilfe schaffen würde? Spekulation. Dennoch bin ich persönlich nach dieser Transferphase zumindest ein wenig enttäuscht. Gerade, dass man für den Abgang von Piossek keinen Plan B in der Tasche hatte. Dass die Pokaleinnahmen fehlen und der Etat gekürzt wurde, ist auch mir bekannt. Dennoch hatte man mutmaßlich bereits deutliche Einsparungen im Gehalt. Mit Schmidt, Truckenbrod, Masuch, Siegert, Piossek und auch Fabian Hergesell haben den Verein Spieler verlassen, deren Verträge wohl nicht allzu schlecht dotiert waren. Mir fällt die Vorstellung schwer, dass die Neuzugänge auch nur ansatzweise so viel verdienen, wie die Abgänge. Durch die Ablöse von Piossek ließe sich sicher einiges kompensieren, dennoch steht der Verein ja finanziell auf gesunden Beinen. Die verschuldeten Rostocker haben es vorgemacht. Nach dem Abgang mit satter Ablöse von Bickel (beim SCP: Piossek) und der Verletzung von Ziemer (beim SCP: Weißenfels, auch wenn dieser Vergleich sicherlich ein wenig hinkt), investierten die Norddeutschen in zwei neue Spieler. Beim SCP jedoch keine Spur davon.

Eine Saison ohne viel Aufregung nicht verkehrt?

Vielleicht habe ich zu hohe Ambitionen, dennoch überwiegt bei mir, gerade wegen der letzten Tage, der Frust. Nachdem man zwei Mal auf der Zielgeraden Richtung zweite Liga so derbe gescheitert ist, hatte ich zumindest ein wenig mehr Angriffslust erwartet. Der aktuelle Kader ist zu stark, um mit dem Abstieg etwas zu tun haben und zu schwach, um den Aufstiegsplätzen wirklich gefährlich zu werden. Zumindest der zuletzt gezeigte Fußball verleitet mich zu dieser Prognose. Doch vielleicht ist eine Saison ohne großartige Aufreger auch gar nicht verkehrt. Denn in den mittlerweile 13 Jahren, die ich diesen Verein mit Herzblut begleite, war dies eine Seltenheit. Vielleicht folgt dann im nächsten Jahr, wenn man sich hoffentlich wieder für den Pokal qualifiziert, eine größere Attacke. Oder eine weitere Übergangssaison. Warten wir es ab. Dennoch hält mich all dies nicht ab, den Verein, meinen Verein, weiterhin lautstark zu unterstützen. In diesem Sinne: NUR DER SCP!

 

 

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