Langlitz vor dem nächsten Wiedersehen – RWE kehrt nach über 10 Jahren zurück ins Preußenstadion
„Die freuen sich jetzt sehr, aber ich freue mich jetzt schon aufs Rückspiel. Mal gucken wer da lacht.“ So äußerte sich Sascha Hildmann am 17. Oktober vergangenen Jahres. Gerade hatte Rot-Weiss Essen den SCP durch ein Tor von Simon Engelmann mit 1:0 besiegt. Diese Aussagen des Preußen-Trainers nahmen nun die RWE Fans zum Anlass in ihrem Forum wirre Vergleiche zu einem anderen Hildmann zu ziehen, ob das wirklich notwendig ist, muss in im Endeffekt jeder individuell entscheiden. Naja – von Essen hat man jetzt aufgrund jahrelanger Erfahrungen und Rivalität nicht wirklich Beiträge mit Niveau erwartet, das Send-Schwert ist natürlich immer noch Thema, aber wie soll es auch anders sein, wenn der Frust von über einem Jahrzehnt in der Viertklassigkeit in einem schwelt, obwohl man sich nach Außen hin stets mindestens als Zweitligist sieht? Wobei es in dieser Saison ja durchaus dazu kommen könnte, dass man an der Hafenstraße wieder jubelt. Doch nur zu gerne würde der SCP dabei zum Stolperstein für den großen Favoriten der Regionalliga West werden.
Andere Voraussetzungen
Im Hinspiel, so fair muss man sein, wurden die Preußen mehr oder weniger von Essen dominiert. Klar, geht Grodowskis Pfostenschuss in Minute 20 rein, nimmt das Spiel eine andere Wendung. Verwandelt Joshua Holtby den Freistoß in der Nachspielzeit, nimmt man ein erkämpftes Unentschieden mit. Doch der Konjunktiv hat im Fußball keinen Platz und so gab es eine verdiente 0:1-Niederlage. Damals war es jedoch ein anderer SCP, als heute. Mit Schwadorf (trotz des Elfers gegen Lotte ein wichtiger Faktor im SCP-Spiel) fehlte ein Schlüsselspieler, ein Nicolai Remberg war in seiner Entwicklung nicht so weit und Stürmer Gerrit Wegkamp stieß erst 2 1/2 Monate später zu den Adlerträgern. Zudem beginnt das Spiel wieder bei Null und der zuletzt immer stärker werdende Dennis Daube muss hoffentlich nicht wieder ab Minute zwei eine gelbe Karte mit sich herumschleppen und sich dementsprechend in Zweikämpfen zurückhalten. Das maue 1:1 bei den Sportfreunden Lotte war zwar zuletzt ein Rückschlag, nichtsdestotrotz sind die Preußen stark ins Jahr 2021 gestartet. Auch Rot-Weiss Essen erhielt bereits zwei Dämpfer, 0:0 in Wiedenbrück, sogar 0:3 und gleichbedeutend mit der ersten Pflichtspiel-Niederlage seit über einem Jahr unterlag man der Zweitvertretung von Fortuna Düsseldorf. Das 0:2 gegen Kiel sollte man aufgrund der Leistung des VAR (der auf einen zweifelhaften Elfmeter für Kiel nach vermeintlichem Foul von Dennis Grote entschied) und der ohnehin schon starken Leistungen der Essener im DFB-Pokal an dieser Stelle außer Acht lassen. Pünktlich zum Westschlager gegen die Preußen ist RWE jedoch zurück in Form. Die Mannschaft von Christian Neidhart besiegte am vergangenen Sonntag Fortuna Köln mit 2:0, Torschützen waren Oghuzan Kefkir und Felix Backszat, der im Zuge einer verletzungsbedingten Rotation in die Mannschaft rückte und eine starke Leistung zeigte. Wohl dem, der eine solche Qualität auf der Bank hat.
Volle Kapelle beim SCP
Bis auf Benedikt Zahn, der sich vergangene Woche die Hand brach, sind alle Spieler fit, wie Sascha Hildmann in der Pressekonferenz verkündete. Die Startelf dürfte mehr oder minder stehen, wenngleich Joel Grodowski zuletzt als Joker immer frischen Wind brachte und in die Startelf drängt. Hildmann kündigte auch an, ein wenig zu rotieren. Somit bleibt abzuwarten, wie der Preußen-Trainer die Mannschaft auf den Gegner einstellt. Im Tor ist Maximilian Schulze Niehues unangefochten. In der Verteidigung könnten Roshon van Eijma oder Niklas Heidemann zurück ins Team kehren. Gerade wenn man sich physisch robust präsentieren möchte, könnte van Eijma hier den Vorzug vor Hoffmeier erhalten. Das Mittelfeld hat sich mittlerweile auch gefunden. Daube, Holtby und Remberg bildeten zuletzt die Zentrale, will man ein wenig defensiver agieren, um den Gegner kommen zu lassen, so wäre Okan Erdogan die erste Alternative. Auf den Flügeln kämpfen Grodowski, Schwadorf und der ehemalige Essener Alex Langlitz um zwei Plätze, während Gerrit Wegkamp an vorderster Front als gesetzt gelten dürfte.
Auf der anderen Seite kann auch der Gast aus Essen kaum Ausfälle vermelden. Aus der vermeintlichen Stammformation fehlt lediglich Sandro Plechaty mit einem Knorpelschaden, der gebürtige Münsteraner David Sauerland befindet sich nach seinem Kreuzbandriss im Aufbautraining. Die Mannschaft von RWE hat eigentlich kaum Schwachstellen. Im Winter legte man auf den offensiven Flügeln mit Steven Lewerenz nach, der seine Klasse bereits deutlich in Liga 2 und 3 bewiesen hat. Im Tor musste Daniel Davari lediglich 15 Mal hinter sich greifen, Spitzenwert der Regionalliga West. Kevin Grund, Alexander Hahn und Daniel Heber sind gesetzt, für Plechaty agierte zuletzt Kapitän Marco Kehl-Gomez auf der ungewohnten Rechtsverteidigerposition. Auch zentral hat Essen keine wirklichen Probleme. Selbst wenn Kehl-Gomez nach hinten ausweichen muss, rückt mit Backszat jemand nach, der in den letzten drei Jahren maßgeblichen Anteil am Titelgewinn von Viktoria Köln und dem SV Rödinghausen hatte. Amara Condé steht wahrscheinlich auf vielen Scoutingzetteln in Liga 3, wahrscheinlich sogar bei Vereinen wie Paderborn in Liga 2. Cedric Harenbrock ist ein wenig der Marco Reus unter den 4. Liga-Fußballern. Nach der Verletzungshistorie so den Anschluss zu schaffen und Spiele zu entscheiden verdient Respekt, dazu gibt es noch gewisse Parallelen in der Spielweise. Tja und dann ist da noch Dennis Grote. Wie unter der Woche bekannt wurde, versuchte man den mittlerweile 34-Jährigen im Winter 2020 zurück an die Hammer Straße zu lotsen. Es wurde dann im Endeffekt Jan Löhmannsröben. Grote, der noch immer im Münsterland wohnt, hat sich nach einer schwierigen Saison unter Ex-Trainer Titz nun unter Neidhart etabliert und ist als Taktgeber nicht mehr wegzudenken.
Neben dem bereits erwähnten Lewerenz hat Essen mit Kefkir und auch Young ordentlich Tempo und Spielwitz. Über Simon Engelmann muss man an dieser Stelle keine weiteren Worte verlieren. Der Torschützenkönig der vergangenen Saison dürfte sich den Titel erneut nicht nehmen lassen und zeigte auch im DFB-Pokal mit Treffern gegen Bielefeld, Düsseldorf und Leverkusen, warum ihn Essen holte. Da auch Ingolstadt an ihm interessiert war, dürfte auch klar sein, dass Engelmann nicht für ein paar Liter Stauder im Monat an der Hafenstraße kickt.
Das letzte Aufeinandertreffen im Preußenstadion
Letztmalig gastierte RWE im April 2010 an der Hammer Straße. Mit 4:0 fegte die Mannschaft von Marc Fascher den Rivalen aus dem Ruhrgebiet vom Rasen. Bakalorz, Güvenisik, Kara und Julian Loose hießen die Torschützen. Es war nach dem 4:0 in Essen 2009 der zweite Sieg in dieser Höhe in der damaligen Regionalliga West. Ein solches Ergebnis am morgigen Samstag wäre natürlich für alle Preußen ein wunderbares Ergebnis, wirklich realistisch ist dies jedoch nicht. Dabei spielt das Ergebnis der vergangenen Woche in Lotte natürlich keine Rolle mehr. Lotte als Abstiegskandidat igelte sich hinten ein, ein schlechter Platz tat sein übriges, dass die Preußen nicht wie zuletzt ihre Spielstärke aufziehen konnten. Morgen wird Essen das Spiel machen müssen, die Preußen werden dagegen halten und punktuell Nadelstiche setzen wollen. Wie man diese Essener Mannschaft knackt, dazu wird bei der Videoanalyse höchstwahrscheinlich die Partie von RWE bei Düsseldorf II eine relevante Rolle spielen. Auch dort war Essen überlegen, ließ sich jedoch phasenweise eiskalt auskontern. Ein Spiel, welches wie gemacht sein könnte für Grodowski, der nach seinen Einwechslungen und den ersten Müdigkeitserscheinungen beim Gegner sein Tempo hervorragend ausspielte.
Hildmann gegen Neidhart
Sascha Hildmann trifft morgen bereits zum achten Mal auf seinem Gegenüber Christian Neidhart, gegen keinen anderen Trainer trat der SCP-Coach häufiger an. Hildmann rückt bei Neidhart auf den zweiten Platz hinter Daniel Jurgeleit, mit dem sich der Essener Trainer in der Regionalliga Nord bereits zehn Mal duellierte. Die letzten drei Duelle waren für Hildmann äußerst schmerzhaft. Nach dem 1:6 gegen Meppen als Coach von Kaiserslautern wurde er dort entlassen, das 0:3 gegen Meppen im letzten Jahr bedeutete den bitteren Abstieg des SCP und auch die Pleite im Hinspiel war alles andere als angenehm – wie, auch wenn es gegen einen Erzrivalen geht. Doch nach diesem Spiel betonte er ja, wie er sich auf das Rückspiel freuen würde. Nun ist der Tag morgen gekommen. Und alle Preußen hoffen, dass Hildmann dann als Letzter lacht. Wie er es bereits im Oktober 2020 angekündigt hat.
Alle zusammen für Preußen Münster