Adler gegen Wölfe – Ein Drama in sechs Akten
Am 08.08.2021 stand für unseren SC Preußen das erste DFB-Pokal-Spiel seit mittlerweile sieben langen Jahren an. Gegner war, wie zuletzt 2010, der VfL Wolfsburg. Das Los, welches Losfee Thomas Broich dem SCP Anfang Juli bescherte, löste zwar in Münster keine Jubelstürme aus, doch immerhin gab sich ein Champions League-Vertreter im Preußenstadion die Ehre. Als die Behörden der Stadt dann auch noch das Go für knapp 7.000 Zuschauer gaben, stieg die Vorfreude bei den meisten Fans dann doch ins Unermessliche.
Zum ersten Mal seit 1,5 Jahren gab es wieder ein relativ volles Preußenstadion und irgendwie lag es von Vornherein in der Luft, dass heute etwas möglich sein könnte. Bekanntermaßen reichte es am Ende nicht ganz, doch der SCP präsentierte sich überragend gut und jeder Spieler, der an diesem Sonntag den Adler auf der Brust trug, kann mehr als stolz auf sich sein. Und dass wir uns vielleicht am Ende doch über den Einzug in die 2. Hauptrunde freuen dürfen, kommt noch hinzu, aber dazu später mehr…
Doch erstmal der Reihenfolge nach:
1. Akt: Der Einlass ins Stadion
Bei aller Freude über die Partie muss man leider erst einmal mit einem Ärgernis beginnen: Leider hat der Verein den Aufwand des Einlasses völlig falsch eingeschätzt. Schätzungsweise 4.000-5.000 Zuschauer mussten sich am Haupteingang durch vier aufgestellte Zelte quälen, was zu extremen Wartezeiten führte. Selbst als Person, die bereits um 13:45 am Stadion war, konnte ich dieses erst gegen 15:00 betreten. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Schleuse neben den Zelten geöffnet, sodass viele Fans nahezu ohne 3G-Kontrolle ins Stadion gelangen konnten. Zudem fühlte man sich als brav wartender Fan zum Teil sehr verar***t, weil sich extrem viele Gruppen und Personen hemmungslos vordrängelten, was die Wartezeiten nochmals erhöhte.
Währenddessen twitterte der SCP, dass die Schuld nicht beim Verein liege, sondern bei den schlecht vorbereiten Fans. In Teilen stimmt dies sicherlich, jedoch hätte man sich auf sowas vorbereiten können und müssen und das Aufstellen vier kleiner Zelte mit vier Kontrolleuren war schlichtweg einer schlechten Planung geschuldet. Immerhin entschuldigten sich die Preußen anschließend für den unüberlegten Post und gelobten Besserung für das Heimspiel gegen Alemannia Aachen. Wollen wir es hoffen.
Jetzt aber genug an Negativem, denn insgesamt war es trotzdem klasse!
2. Akt: Halbzeit Nummer 1
Preußen-Trainer Sascha Hildmann setzte im 4-3-3-System auf etwa die Startformation, die man nach der Vorbereitung erwarten konnte. Im Tor stand, wie in der vergangenen Saison auch, Max Schulze Niehues. Die Viererkette bildeten davor Schauerte, Scherder, Hoffmeier sowie der Neuzugang Marvin Thiel. Die Mittelfeldpositionen bekleideten Daube, Remberg und Schwadorf. In der Offensive sollten Langlitz sowie die beiden Neuzugänge Thorben Deters und Jan Dahlke für Furore sorgen. Gerrit Wegkamp, dessen Einsatz kurz vor der Partie noch fraglich war, konnte immerhin auf der Bank Platz nehmen und wurde später eingewechselt.
Die Adlerträger starteten sofort leidenschaftlich in die Partie, man wollte dem haushohen Favoriten aus der Autostadt Paroli bieten und das gelang ausgesprochen gut. Zu Beginn der Partie erarbeiteten sich die mutigen Preußen auch durchaus Chancen und ließen eigentlich nie einen drei-Klassen-Unterschied erkennen. Die ganz großen Gelegenheiten sprangen auf Preußen-Seite zwar zunächst nicht heraus, doch man spielte mit und dies beeindruckte den Gast sichtbar. Auch defensiv standen die Münsteraner sicher und ließen wenig zu, auch wenn die beiden dicksten Chancen der ersten Hälfte auf der Seite des „Goliath“ zu verzeichnen waren. Nach einer guten Viertelstunde setzte der 20-Tore-Mann Wout Weghorst einen Kopfball knapp neben das Preußentor und unmittelbar vor dem Pausentee parierte der insgesamt sehr starke Schulze Niehues einen Schuss von Lukas Nmecha aus kürzester Distanz in Weltklasse-Manier.
So ging es mit einem torlosen Remis in die Kabinen und die Sensation lag in der Luft.
3. Akt: Halbzeit Nummer 2
Kurz nach der Pause ergab sich wie aus dem Nichts eine große Chance auf Seiten des SCP, doch Remberg zog einen Distanzschuss knapp am Kasten von Koen Casteels vorbei. Anschließend ergab sich noch eine weitere Gelegenheit für Deters, der beim Abschluss aber entscheidend gestört wurde. Anschließend begann eine Druckphase des VfL. 2x Ridle Baku, Wout Weghorst und auch Josip Brekalo konnten Preußens exzellenten Schlussmann aber nicht überwinden, sodass Preußen die Drangphase unbeschadet überstand.
Das Unfassbare passierte dann in der 74. Minute: Holtby brachte eine Ecke in den Strafraum, wo sich Marcel Hoffmeier (1,80m) gegen Wout Weghorst (1,97m) im Kopfballduell durchsetzte und den Ball ins Tor beförderte. Das Preußenstadion explodierte daraufhin förmlich, ein ohrenbetäubender Torschrei, der vermutlich noch bis zum Prinzipalmarkt zu hören war, donnerte durch das weite Rund der Antikarena. Wer in diesem Moment auch nur einen Quadratzentimeter am Körper hatte, der nicht mit Gänsehaut übersäht war, hat den Fußball nie geliebt. Und genau in solchen Momenten zeigt sich: Der Fußball braucht Fans und es war allerhöchste Eisenbahn, dass diese wieder ins Stadion kommen durften.
In der Folge glich das Preußenstadion natürlich einem Tollhaus. Die Stimmung war auch vorher schon gut, doch dieses Tor setzte dem Ganzen natürlich noch die Krone auf.
Apropos Stimmung: Die Ultras, die vor dem Spiel noch einen Supportverzicht ankündigten, unterstützten das Team trotzdem in vorbildlicher Weise. Es gab nicht, wie üblich, einen Dauersupport über 90 (bzw. 120) Minuten, eine spielbezogene Unterstützung fand jedoch statt und diese schwappte immer wieder durch das gesamte Stadion. Und wer den Flyer der Ultras nicht in der Hand hatte: In Zukunft wird die Fiffi-Gerritzen-Kurve wieder das Stimmungszentrum des Preußenstadions sein und ein neues Kollektiv wird sich dort mit dem neuen Namen „Fede Nerblo“ postieren. Der Name ist übrigens eine Mischung aus italienisch und Masematte und kann frei mit „Verrückter Glaube“ übersetzt werden.
Im Laufe des Spiels wurde eben von dieser Gruppe per Spruchband zudem noch den verstorbenen Preußen Kalle Krekeler, Reinhold Schmelter und Falk Dörr gedacht.
Aber jetzt zurück zum Sport: Wolfsburg kämpfte jetzt natürlich, wollte die Blamage verhindern, doch die Preußen schmissen sich mit viel Leidenschaft in jeden Ball und brachten mit vorbildlichem Kampf den großen VfL Wolfsburg nahezu zur Verzweiflung. Die Spannung war im Stadion greifbar und jeder Ballgewinn der Adlerträger wurde von den Fans frenetisch bejubelt. Kurz vor Schluss war der Fußball-Gott aber dann plötzlich nicht mehr auf der Seite der Münsteraner: In einer Szene stimmte die Zuordnung in Preußens Defensive nicht ganz und das nutzte der Bundesligist sofort eiskalt aus. Mbabu flankte den Ball in die Mitte, wo Brekalo mühelos den Ausgleich erzielen konnte. Bitter!
Somit ging es nach einer aufreibenden zweiten Hälfte in die Verlängerung…
4. Akt: Die Verlängerung
Das erste Ausrufezeichen in der Verlängerung setze der Olympionike Maximilian Arnold als er einen Freistoß aus gefährlicher Position knapp über das Tor von Schulze Niehues setzte. In der 100. Spielminute hatte dann plötzlich Bindemann die Riesenchance, den Favoriten erneut zu ärgern, doch leider zeigte Koen Casteels, warum er in der Bundesliga spielt und parierte glänzend gegen den frei stehenden Adlerträger.
Die kalte Dusche für Münster folgte dann nach 103 Minuten: Nach einer Ecke verschätzte sich Schulze Niehues ein wenig und die Wölfe erzielten den Führungstreffer. Erstmals verstummte das Stadion nun und auch die Mannschaft des SCP wirkte geschockt. Aufgeben wollten die Preußen aber noch nicht und so gab es kurz vor Schluss nochmal die Gelegenheit zum Ausgleich, doch Scherder setzte einen Distanzschuss knapp am Wolfsburger Gehäuse vorbei. Im Anschluss erzielte Baku dann noch das 1:3, womit die Messe endgültig gelesen war.
Kurz darauf wurde die Partie abgepfiffen. Die Fans feierten ihre Mannschaft aber trotzdem, denn diese hatte Unfassbares geleistet und hatte sich den begeisterten Applaus und die Gesänge aus dem gesamten Stadion mehr als verdient. DANKE für diesen Einsatz! Ihr habt Preußen Münster mehr als nur würdig vertreten!
Aber sollten wir das Kapitel DFB-Pokal für diese Partie tatsächlich schon für beendet erklären…?
5. Akt: Das Nachspiel
Unmittelbar vor dem 1:2 in der 103. Minute beging VfL-Trainer Mark van Bommel einen womöglich folgenschweren Fehler: Admir Mehmedi wird für Maximilian Philipp eingewechselt, dies ist der sechste Wechsel auf Seiten der Wölfe. Die Durchführungsbestimmungen des DFB sagen dazu in Paragraph 31, Punkt 3a wörtlich: „Während des Spieles dürfen fünf Spieler ausgetauscht werden. Eine darüber hinaus gehende zusätzliche Auswechslung bei Spielen mit Verlängerung ist nicht zulässig.“
Diese Partie wird also ein Nachspiel haben. Die Wolfsburger behaupten, dass der vierte Offizielle keine Einwände gegen den sechsten Wechsel hatte, doch dies darf Preußen Münster eigentlich nicht zum Nachteil sein. Gibt es also ein Entscheidungsspiel? Zieht der SCP am Grünen Tisch in die nächste Runde ein? Das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen, wir dürfen gespannt sein und hoffen.
Die Trainer-Karriere von Mark van Bommel beginnt jedenfalls da, wo sie seine Spieler-Karriere auch regelmäßig stattfand: Vor dem DFB-Sportgericht ;)
6. Akt: Nächsten Samstag!
Am nächsten Samstag kommt zum Regionalliga-Auftakt niemand geringeres als Alemannia Aachen ins Preußenstadion. Wie viele Zuschauer dann kommen dürfen, wird sich noch zeigen, aber es werden sicherlich einige dabei sein können. Lasst uns alle gemeinsam das Preußenstadion erneut in einen Hexenkessel verwandeln, denn eines dürfte klar sein: Die Liga ist wichtiger als der DFB-Pokal und wir wollen alle gemeinsam unser großes Ziel erreichen: Den Wiederaufstieg in die 3. Liga!
ALLE ZUSAMMEN FÜR PREUẞEN MÜNSTER!
Daten zum Spiel
SCP: Schulze Niehues – Schauerte, Hoffmeier, Scherder, Thiel – Daube (95. Kloth), Remberg, Schwadorf (60. Holtby) – Langlitz, Dahlke (68. Wegkamp), Deters (59. Teklab/91. Bindemann)
VfL Wolfsburg: Casteels – Baku, Lacroix (102. Bornauw), Brooks, Roussillon (98. Gerhardt) – Schlager, Guilavogui (60. Arnold) Steffen (46. Brekalo), Philipp (102. Mehmedi), Nmecha (61. Mbabu) – Weghorst
Tore: 1:0 Hoffmeier (74.), 1:1 Brekalo (90.), 1:2 Weghorst (103.), 1:3 Baku (120.)
Gelbe Karten: Hoffmeier, Remberg, Wegkamp / Steffen, Philipp, Lacroix, Brooks, Baku
Schiedsrichter: Christian Dingert (Thallichtenberg)
Zuschauer: 6.703