Preußen nimmt Berlin ein!
Das erste Wiedersehen der beiden Mannschaften seit vier Jahren, damals noch im DFB-Pokal und komplett anderen Ligazugehörigkeiten. Die Berliner spielten damals noch erste Liga und die Preußen spielten ihr zweites von drei Regionalliga-Jahren. Es war daher wenig überraschend, dass bei 1 Grad an einem Freitagabend das Stadion nicht vollständig gefüllt war, dazu kam, dass es auch „nur“ Preußen ist, die auf Platz 17 in den Spieltag starten, während Hertha weiterhin die Aufstiegshoffnung erhalten möchte. Dennoch fanden sich rund 45.700 Zuschauer ein, darunter etwa 4.500 bis 5.000 Fans aus Münster.
Christian Fiél wollte nach zuletzt vier sieglosen Spielen in fünf Partien wieder drei Punkte mitnehmen und lies Scherhant und Niederlechner für Thorsteinsson und Schuler (angeschlagen) auflaufen, damit sah die Elf wie folgt aus: Ernst – Kenny, Leistner, Dardai, Zerfuik – Klemens, Demme, Maza – Cuisance, Scherhant, Niederlechner. Sascha Hildmann wurde in seiner Aufstellung etwas experimentierfreudig, gleich drei Spieler und die Grundformation wechselte er zu dem Magdeburg-Spiel. Hendrix, der nach seinem Infekt wieder verfügbar war, Paetow und Bouchama rückten in die Startelf, dafür mussten Grodowsi, Preissinger und Bazzoli auf die Bank ausweichen. Dementsprechend ergab sich folgende Elf: Schenk – Koulis, Paetow, Frenkert – Ter Horst, Hendrix, Kirkeskov – Bouchama, Mees – Nemeth, Makridis.
Die alte Dame doch ganz flott
Die Berliner wollten gegen den Aufsteiger aus Münster natürlich keinen Punkt liegen lassen und so die vorderen Plätze der Tabelle unter Zugzwang setzen. Die Preußen hingegen wollten sich nach zuletzt vier sieglosen Spielen in Folge mit einem Dreier belohnen und damit wieder etwas Luft im Tabellenkeller verschaffen.
Schiedsrichter Lars Erbst aus Gerlingen pfiff pünktlich an. In den Anfangsminuten dominierte der BSC, während Preußen damit beschäftigt war, sich mit dem „neuen“ Spielsystem einzuspielen. In der neunten Spielminute setzte Demme mit einem Distanzschuss ein erstes Ausrufezeichen, doch der Schuss ging am Kasten von Johannes „Jojo“ Schenk vorbei. Jubel ertönte trotzdem von den Rängen, da es für einige Fans nach einem Tor ausgesehen hatte. In der 21. Minute musste Jojo Schenk seinen Teamkollegen Bouchama retten, denn dieser kam nach einem eigentlich ungefährlichen Freistoß von Cuisance mit dem Kopf an den Ball und traf fast selbst ins kurze Eck.
Doch Jojo zeigte hervorragende Reflexe und kratzte die Murmel heraus. In der 23. und 24. Minute wurden dann auch die Adlerträger mal gefährlich. Erst war es Bouchama, dessen Schuss nach einer flachen Flanke ins Zentrum von Kirkeskov geblockt wurde. Dann war es Ter Horst, der einen langen Ball auf Makridis verlängerte. Dieser traf den Ball im 1-gegen-1 mit dem Herthaner-Keeper Ernst nicht richtig und legte den Ball ungewollt perfekt für Nemeth quer. Doch dieser spielte den Ball in die Arme von Tjark Ernst – ein Tor hätte sowieso nicht gezählt, da Makridis bei der Verlängerung von Ter Horst im Abseits stand.
Viel lief bei der Hertha über links – den pfeilschnellen Scherhant. So auch in Minute 27. Er nahm einen langen Ball super auf und setzte sich gegen Ter Horst durch. Dieser lief ihm unglücklicherweise in die Beine, und somit gab es Foulelfmeter und Gelb. Scherhant wollte selbst schießen, nahm sich den Ball, schoss – und traf. Schenk war zwar noch dran, aber nicht genug, um den Einschlag zu verhindern.
Der erste Wechsel der Partie wurde von Sascha Hildmann vorgenommen. Joshua Mees setzte sich auf den Boden und deutete auf seinen linken Oberschenkel, sodass der Münsteraner Toptorschütze (4 Tore) herausmusste. Für ihn kam Daniel Kyerewaa. In der Folge des Tores übernahm der BSC mehr oder weniger die Partie und drückte auf das zweite Tor. Die Preußen zeigten immer mal wieder kurze Lebenszeichen, doch diese waren zu selten und oft zu ungenau zu Ende gespielt. Das war die Chance zum 2:0! Erst war es Scherhant, der von der linken Seite Jojo prüfte, dann war es Ibrahim Maza, der erst Koulis schlafen legte und dann Jojo aus spitzem Winkel zu einer Glanztat zwang (43.).
Das 1:0 für die Hertha ging vollkommen in Ordnung und war leistungsgerecht. Die Preußen zeigten offensiv zu wenig, die Hertha war vor dem Tor zu ineffizient. Positiv erwähnenswert war aber der Auswärtssupport der Adlerträger: Im Block wurde die ganze Zeit gesungen und gesprungen. Die rund 4.500 Auswärtsfahrer machten ähnlich viel Stimmung wie der Rest des Stadions.
Wird Freitag der 13. zum Fluch oder Segen?
Hildmann reagierte in der Halbzeit und nahm Ter Horst heraus, der gegen Ulm aufgrund der Gelbsperre fehlen würde. Dafür kam Amenyido. Die Marschrichtung wurde jetzt deutlicher: Es sollte offensiver werden. Makridis übernahm durch die Einwechslung von Amenyido die rechte Schiene gegen Scherhant und machte seine Sache gut, zusammen mit Hendrix. In der 53. Minute konnte Makridis den Herthaner stoppen.
Währenddessen hielt ein Stimmungsboykott bis zur 55./56. Minute beider Fanlager an. Grund dafür war ein medizinischer Zwischenfall in der Herthaner Ostkurve. Solidarisch schwiegen beide Lager während der Behandlungszeit und schenkten dem Spiel ihre Aufmerksamkeit. Als der Fan dann mithilfe der Sanitäter zum Rettungswagen gebracht wurde, gab es großen Applaus. Danach setzten beide Lager ihren üblichen Support fort. Wo wir gerade schon bei den Fans sind, während des Spiels wurde von den Fans des Hauptstadtclubs ein Spruchband ausgerollt, dass sich solidarisch zum Erhalt des Namens Preußenstadion zeigt („Preussenstadion erhalten!“).
Durch den Startelfeinsatz von Torge Paetow wurde ein gewisses Stilmittel wieder in das Spiel der Preußen implementiert – weite Einwürfe. Paetow schleuderte die Bälle immer bis in den Sechszehner, um dann da einen der kopfballstarken Spieler zu finden, gelungen ist es aber nicht. Und plötzlich stand es 1:1! Kyerewaa stibitzte Pascal Klemens im Mittelfeld den Ball, der nicht wirklich bei der Sache war.
Dann rannte Kyerewaa auf Ernst zu und schob das Leder an ihm vorbei ins Tor. Die Aufholjagd war nun im vollen Gange. Der Auswärtsblock bebte und gab der Mannschaft den nötigen Push um hier doch noch das 2:1 zu erzielen. Die Herthaner kommen nur noch durch Standards wirklich vor‘s Tor, man sieht ihnen die Verunsicherung förmlich an, und dann werden diese auch nicht wirklich gefährlich und fordernd. In Minute 86 darf der SCP das allererste Erfolgserlebnis feiern, die erste Ecke. Die wird dann von Lorenz getreten, welcher inzwischen für Bouchama eingewechselt wurde, genauso wie Berti für Nemeth.
DA IST DAS DINGGGGGG!!!
Die Preußen stellten auf 2:1. Ein weiter Freistoß war halbrechts in den Sechzehner geschlagen worden, wo Berti den Ball per Kopf querlegte. Jonjoe Kenny sprang unter dem Ball hindurch, sodass Torge Paetow volley abziehen konnte und das Ding in die Maschen knallte. Für Ernst unhaltbar, für die Fans unfassbar. Unglaublich was hier passiert war, der Auswärtsblock ähnelte dem Ballermann in den Sommermonaten – reinste Partymeile. Das Spiel war zwar noch nicht vorbei, aber es sah sehr gut aus. Jeder fightete für diese drei Punkte. Die Preußen bekamen auch noch mal die Chance vielleicht für das dritte, aber die Chance wurde nicht entscheidend gefährlich genug. Der Abpfiff der vierminütigen Nachspielzeit wurde sehnlich erwartet, denn die Hertha kam nochmal, aber jeder Ball wurde im hohen Bogen wieder aus der gefährlichen Zone weggetreten, als der Abpfiff ertönte, brachen alle Dämme – sowohl auf als auch neben dem Platz.
Big Points beim Big City Club!
Damit entführten die Preußen die vollen drei Punkte aus Berlin und durften sich über einen Befreiungsschlag im Tabellenkeller freuen, der nach Betrachtung beider Hälften vollkommen verdient war, in der ersten Hälfte hätte Hertha das 2:0 machen können und in Halbzeit zwei werden sie von Minute zu Minute schwächer und verlieren somit ihr drittes Spiel in Folge.
Für die Preußenfans gab es kein Halten mehr, fast eine halbe Stunde nach Abpfiff war der komplette Block voll und keiner wollte gehen. Man sang und sprang, wie als gäbe es kein Morgen mehr, zuletzt hatte man das im Sommer beim Aufstieg in Liga Zwei erlebt. Für die Meisten ist es bis heute auch noch unglaublich. Vor zwei Jahren hießen die Gegner noch Wegberg-Beeck, Straelen oder Homberg, teilweise mit nur vier Reihen Stehplätze und 500 Auswärtsfahrern.
Heute fahren 5.000 nach Berlin und das ist der Terminierung geschuldet, wäre es auf einen Samstag oder Sonntag gelegt worden, bin ich mir sicher, dass es deutlich mehr hätten sein können. Der SCP ist vollständig in der 2. Bundesliga angekommen und hat definitiv die Chance dazu aus einem Jahr zweite Liga mindestens zwei zu machen. Nächste Woche gibt es das letzte Spiel für dieses Kalenderjahr, Heim gegen den Mitaufsteiger Ulm, die dieses Wochenende den HSV vor der Brust haben. Das könnte ein sehr ansehnliches und interessantes Spiel werden.
Für die Hertha heißt es jetzt im letzten Spiel des Jahres nochmal alles geben um nicht komplett den Anschluss zu verlieren. Mit etwas Pech rutschen sie sogar noch auf Platz 12, dazu muss Nürnberg in Köln gewinnen. Das war gegen die Preußen einfach keine Leistung die für einen Aufstieg reichen kann und sollte.
Alle zusammen für Preußen Münster!