Kein Sieger im Abstiegskrimi

Im direkten Aufeinandertreffen zweier Konkurrenten im Abstiegskampf trennen sich der SC Preußen Münster und Eintracht Braunschweig am Ende 1:1. Somit konnten weder die Niedersachen gegenüber den Münsteranern in der Tabelle aufschließen, noch konnte sich der Aufsteiger von der Hammer Straße entscheidend absetzen. Aus dem vermeintlichen 6-Punkte-Spiel streichen beide Mannschaften jeweils einen Zähler ein. (Vor-)Entscheidung vertagt.
Turbulenter Start
Sonntagmittag. Unter herbstlich anmutenden Bedingungen pfeift der unparteiische Eric Weisbach aus Halle die Partie der beiden Bundesliga-Gründungsmitglieder pünktlich um 13:30 Uhr an. Wer von den 12.422 Zuschauenden im abermals ausverkauften LVM-Preußenstadion seinen Platz noch nicht eingenommen hatte, lief Gefahr, wesentliche Szenen der Partie zu verpassen. Die Braunschweiger nutzen ihren eigenen Anstoß, um nach sage und schreibe 8,5 Sekunden das erste Tor des Tages zu erzielen. Sebastian Polter leitet einen langen Ball in den Lauf von Richmond Tachie, der in der Box mit Tempo zum Abschluss kommt und wenig Mühe hat, seinen zweiten Saisontreffer zu erzielen. Die Münsteraner Hintermannschaft schien sich zu diesem Zeitpunkt noch im kollektiven Tiefschlaf zu befinden und rieb sich ebenso überrascht die Augen wie die Zuschauenden auf den Rängen. Gemeinsam wurden sie soeben Zeuginnen und Zeugen des zweitschnellsten Treffers in der Geschichte der 2. Bundesliga.
Aber dieser Kaltstart sollte lediglich die Ouvertüre eines ereignisreichen Spielbeginns sein. In Spielminute 3 ist es erneut Sebastian Polter, der sich in die Assist-Liste eintragen durfte – diesmal jedoch ungewollt. Ein Foul an Niko Koulis lässt Schiedsrichter Weisbach direkt auf den Elfmeterpunkt zeigen. Diese Entscheidung wurde auch von den Unparteiischen im „Kölner Keller“ nicht revidiert, weshalb es am 27. Spieltag nun tatsächlich den ersten Strafstoß zugunsten der Preußen gab. Und wer anders als der Capitano selbst sollte in diesem Moment Verantwortung übernehmen? So war es Marc Lorenz, der den Ball sehr präzise an die Innenseite des rechten Pfostens zirkelte, von wo er unhaltbar für Ron-Thorben Hoffmann den Weg ins Tor fand. Somit stand es nach gerade einmal vier Spielminuten bereits 1:1.
Preußen mit klaren Vorteilen
Die Löwen aus Braunschweig schienen mit diesem himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt-Start so ihre liebe Müh zu haben, wohingegen die Adler den Schwung des schnellen Ausgleichs in klare Spielvorteile münzten. Doch trotz ihrer Überlegenheit änderte sich der Spielstand nicht. Insbesondere Berti Fridjonsson dürfte den Gang Richtung Halbzeittee mit gemischten Gefühlen angetreten haben. In der 14. Minute pariert Keeper Hoffmann zunächst reflexartig einen Kopfball des völlig freistehenden Isländers und ist auch beim Nachschuss zur Stelle. Das muss eigentlich das 2:1 für die Preußen sein!
Elf Minuten später ist es erneut der baumlange Fridjonsson, der diesmal von der Strafraumkante abzieht. Sein Schuss wird abgefälscht und klatscht an den Querbalken. Anders als beim Elfmeter des Capitano landet der Ball jedoch nicht in den Maschen. Auch das hätte eigentlich die Führung für die Adlerträger sein müssen.
Bis zum Halbzeitpfiff erarbeiteten sich die Münsteraner gut 60 % Ballbesitz und gewannen knapp 60 % ihrer Zweikämpfe. Wie heißt es so schön? Ein Indiz dafür, dass man es (mehr) wollte.
Ausgeglichene zweite Hälfte
Gästetrainer Daniel Scherning schien in der Halbzeit die richtigen Worte gefunden zu haben. Wer dachte, dass es nach dem engagierten Auftritt im ersten Durchgang nur noch eine Frage der Zeit sei, bis die Münsteraner aus ihren Vorteilen Kapital schlagen würden, wurde eines Besseren belehrt. Die Mannen von Sascha Hildmann fanden im zweiten Durchgang nur noch selten ein Durchkommen durch die gut sortierte Hintermannschaft der Braunschweiger. Und wenn es zu aussichtsreichen Umschaltsituationen kam, fehlten schlussendlich die nötige Präzision und Durchschlagkraft. Die Partie verflachte zusehends, wenngleich sie weiterhin von Spannung geprägt war. Ein Tor hätte dem Pendel im Sechs-Punkte-Spiel eine entscheidende Richtung geben können. Sascha Hildmann bestätigte im Interview nach der Partie auch, dass keine der beiden Mannschaften „den entscheidenden Fehler“ begehen wollte und dadurch ein Stück weit die letzte Konsequenz fehlte.
Und so stockte den Preußen-Fans in der 63. Minute kurzzeitig der Atem: Jannis Nikolaou kommt nach einer Ecke von Max Marie freistehend zum Kopfball und nickt die Kugel an die Latte. Von dort springt sie an den Pfosten und wieder ins Feld – doppeltes Alu-Pech für die Löwen, Glück für die Preußen.
Auch die kurz zuvor eingewechselte Offensive (Batmaz und Nemeth kamen für Fridjonsson und Mees) konnte die Vorwärtsbewegungen der Preußen nur eingeschränkt beleben. So mussten die Fans im weiten Rund bis zur dritten Minute der Nachspielzeit warten, ehe es noch einmal spannend wurde. Ein Münsteraner Konter läuft über Malik Batmaz, der von links nach innen zieht und den zuvor eingewechselten Charalambos Makridis in Szene setzt. Der schlägt einen Haken, doch sein Schuss wird von Fabio Di Michele Sanchez in höchster Not geblockt. Viel Lärm um nichts.
Mit Routine im Endspurt
Als Eric Weisbach die Partie abpfiff, wusste im ersten Moment niemand so recht, was man von dem Ergebnis halten sollte. Hatte man nun einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt verpasst, weil man einen direkten Konkurrenten nicht bezwingen konnte? Sicherlich ja. Aber auf der anderen Seite war auch kein weiterer Schaden entstanden, und erneut konnte man nach einem Rückstand noch Zählbares einfahren. Entscheidung also vertagt. Mehr noch: Bis einschließlich des 27. Spieltages haben die Preußen keines der Spiele gegen eines der letzten drei Teams in der Tabelle verloren und können mit weiterhin drei Punkten Abstand auf den Relegations-Abstiegsplatz sowie einem sehr guten Torverhältnis den Klassenerhalt aus eigener Kraft schaffen.
Und auch wenn Berti Fridjonsson am kommenden 28. Spieltag wegen seiner fünften gelben Karte aussetzen muss, lässt der Blick aufs Personal hoffen. Malik Batmaz hat gezeigt, dass seine Luft mittlerweile für mehr als nur einen Kurzeinsatz reicht, und mit Marc Lorenz und Simon Scherder haben sich im Endspurt der Saison zwei Routiniers in der Startelf festgebissen, die den Preußen die nötige Souveränität für die kommenden Aufgaben verleihen dürften. Auch wenn die Spiele bis zum 18. Mai alles andere als Selbstgänger werden dürften (unter anderem stehen noch die Aufstiegsaspiranten aus Düsseldorf, Köln und Magdeburg auf dem Programm), muss man sich nicht verstecken – und ganz sicher nicht kleiner machen, als man ist. Vielleicht reicht es schon am kommenden Samstag in der Merkur Spiel-Arena für einen weiteren (Teil-)Erfolg.
Alle zusammen für Preußen Münster!