MSV Duisburg: „Ein sportlich anspruchsvolles Programm und finanzielle Probleme“
Was für Erwartungen hat der MSV Duisburg für die neue Saison? Wie ist deren Fanszene aufgebaut? Was gibt es sonst noch Wissenswertes über die Stadt und den Verein? Diese Fragen haben wir uns gestellt und sie an die Fanvereinigung „Zebras stehen auf“ aus Duisburg weitergegeben.
Hallo und herzlich Willkommen in der dritten Liga, auch wenn das für euch wahrscheinlich kein allzu freudiges Ereignis ist. Könnt ihr uns ein kleines Fazit eurer abgelaufenen Saison geben?
Wo soll man da anfangen?
Zuversicht – Ernüchterung – Gleichgültigkeit – Hoffnung – Enttäuschung. Das beschreibt den Verlauf unserer Gefühlslage der vergangenen Saison bezüglich der sportlichen Leistungen unserer Zebras wohl am besten. Nach dem grandiosen Aufstieg war eigentlich allen klar, dass es gegen den Abstieg gehen würde, aber dennoch blickt der ein oder andere Träumer auch auf größeres. Dass es im Endeffekt während der gesamten Spielzeit kaum sportliche Höhepunkte gab und ein Katastrophenspiel nach dem anderen folgte, war dann aber auch für die größten Realisten eine Enttäuschung. Die Ursachen sind vielschichtig und erstrecken sich von noch spürbaren Auswirkungen der Misswirtschaft der letzten Jahre bis hin zu massiven Verletzungspech.
Trotz aller Rückschläge hat sich die Mannschaft jedoch nie aufgegeben und das ein um andere Mal überragende Moral bewiesen, die einen nicht mehr für möglich gehaltenen Endspurt möglich machte. Diese Aufholjagd in den letzten Spielen der Saison wird allen Zebras wohl noch lange in Erinnerung bleiben, auch wenn der Klassenerhalt am Ende durch zwei Niederlagen in der Relegation nicht erreicht werden konnte.
Auch abseits des Platzes ist dieses Jahr so einiges passiert, was Erwähnung finden sollte. Um an dieser Stelle nicht den Rahmen zu sprengen, möchten wir exemplarisch nur einige Ereignisse Revue passieren lassen. Bezüglich des Vereins ist besonders eines in Erinnerung geblieben. So hat sich der MSV Duisburg durch eine groß angelegte Aktion zu Beginn der Saison an den breiten Solidaritätsbekundungen gegenüber Geflüchteten Menschen in unserer Stadt beteiligt und lud 1500 von Ihnen ins Wedaustadion ein. Gepaart wurde diese Aktion mit einer Sonderedition des Trikots mit der Aufschrift „Refugees Welcome“ anstellte der Brustwerbung. Diese wurden im Nachgang versteigert und somit Geld für soziale Projekte in der Geflüchteten-Hilfe gesammelt. Dass sich unser MSV als einer der wenigen Vereine nicht an der zweifelhaften „Wir Helfen“ Aktion der Bildzeitung beteiligte, sollte ebenfalls lobenswert angemerkt werden.
Insgesamt scheint sich beim Verein nach und nach ein ehrliches Interesse an Arbeit dieser Art zu entwickeln, auch wenn dieser Prozess noch sehr am Anfang steht. Ein absolutes Novum für unseren MSV ereignete sich zum Ende des letzten Jahres. Der MSV hat 5,1% der Anteile der ausgegliederten Profi-GmbH an einen US-Amerikanischen Investor verkauft, inkl. eines Sitzes im Aufsichtsrat und einer Kaufoption für weitere 5%. Zwar hat unser Verein eine finanzielle Unterstützung bitter nötig, dennoch werden auch wir die weiteren Geschicke bezüglich dieses Engagements sehr kritisch im Auge behalten. Einen Zweiten Fall „Hellmich“ darf es hier auf keinen Fall geben.
Aus Sicht unserer Gruppe standen zwei Aktionen in der letzten Saison besonders im Vordergrund. So haben wir zusammen mit der „Kohorte“ (Eine der beiden Ultragruppe des MSV Anm. d. Red), dem Fanprojekt und dem Verein sowie der Unterstützung zahlreicher weiterer Fanclubs die letztjährige FARE-Action-Week in Duisburg organisiert. Zudem haben im vergangenen Monat eine Gedenkstättenfahrt nach Ausschwitz für junge MSV-Fans erfolgreich auf die Beine gestellt. Im Zuge der Vorbereitung haben eine Reihe thematisch passender Veranstaltungen organisiert.
Ihr freut euch bestimmt nicht so sehr auf die 3. Liga. Was erwartet ihr euch dennoch von dieser Saison?
Ein sportlich anspruchsvolles Programm und finanzielle Probleme erwarten uns definitiv. Dass die dritte Liga kein wirtschaftliches Paradies ist, dürftet ihr ja ebenfalls schmerzlich gemerkt haben in den letzten Jahren.
Auch wenn wir in den vergangenen Spielzeiten durchaus wieder ruhigere Fahrwasser beschritten haben und der Vereinshaushalt sogar ohne Neuverschuldung in der letzten Saison auskam, wird die dritte Liga wieder eine echte Herausforderung.
Wo es sportlich hingeht, fällt uns schwer einzuschätzen. Zwar konnten etliche Spieler gehalten werden, aber einige Leistungsträger haben den MSV verlassen. Wir werden uns überraschen lassen müssen. Ungewissheit hat ja aber auch was Aufregendes an sich. Doch wir verfallen definitiv nicht in Pessimismus.
Die kommende Spielzeit hat auf jeden Fall etliche Highlights bereit. Neben neuen Gegner und Stadien ist es vor Allem die Anstosszeit, die im Vergleich zur zweiten Liga traumhaft ist.
Zudem erwartet uns mit den Niederrheinpokalspielen sicherlich wieder der ein oder andere Leckerbissen, wenn man an Gegner wie RWO, Essen, Uerdingen oder Wuppertal denkt, die man im Profispielbetrieb nicht treffen würde.
Generell werden natürlich die Zuschauerzahlen ein wenig einbrechen. Das große „Wir-Gefühl“, das nach dem Zwangsabstieg sehr viel Boden gut machte, ist leider nicht mehr so deutlich in der Stadt zu spüren. Dennoch bleibt die Hoffnung, dass die Duisburger nicht in ihre typische Gleichgültigkeit verfallen, die ein Großteil in den Jahren vor dem Lizenzentzug an den Tag legte. Ansonsten erwarten uns eigentlich keine großen Veränderungen.
Und auf welchen Verein bzw. welche Vereine freut ihr euch am meisten?
Pfuu, das ist schwer. Interessant werden sicherlich die Spiele gegen die beiden Emporkömmlinge aus dem Osten. Für die allermeisten Zebras dürften es die ersten Besuche in den Stadien von Magdeburg und Zwickau sein. Wir sind sehr gespannt, wie sich diese beiden Kultvereine in den letzten Jahren entwickelt haben und wie die aktuelle Lage vor Ort aussieht. Grundsätzlich ist es ja sehr erfreulich, dass sich neben RB Leipzig auch andere Vereine im Osten wieder wirtschaftlich auf sichere Beine stellen können. Die Aufstiege von Dresden und Aue sind ja weitere Indizien dafür. Des Weiteren haben die Spiele gegen die Nachbarn aus NRW oder nahegelegene Vereine wie Osnabrück oder euch auch immer ihren Reiz.
Da wir Fans vom SCP sind, was fällt euch denn zu Preußen Münster ein?
Ein sympathischer Verein mit Kultstatus für die Region, der den ganz großen Sprung leider nie geschafft hat.
Welche Ziele habt ihr für eure neue Saison in der dritten Liga?
Ein geordneter Platz im Mittelfeld in dieser Saison und der möglichst baldige Wiederaufstieg in die zweite Liga in den kommenden Spielzeiten. Leider ist eine wirtschaftliche Konsolidierung in der dritten Liga unmöglich, sodass wir auf dauerhaften Zweitligafußball angewiesen sind. Angesichts (endlich mal) kompetenter Personen in den aktuellen Führungspositionen scheint dieses Bestreben auch nicht ganz hoffnungslos zu sein.
Wie setzt sich eure Fanszene denn zusammen? Man hört ja oft von Konflikten innerhalb der Fanszene, was ist da los?
Da werden die Meinungen und Ansichten sicherlich sehr auseinander gehen, deshalb ist diese Darstellung als explizit unsere Meinung anzusehen, auch wenn wir stets versuchen, einen objektiven Blick auf die Dinge zu halten.
Eine gemeinsame Organisation existiert in Duisburg nicht. Es gab vor Jahren den Versuch in Form der „Zebraherde“ eine Art Dachverband aufzubauen, was allerdings ohne nennenswerten Erfolg gescheitert ist. Die Zebraherde existiert noch, allerdings eher in der Form eines „normalen“ eigenständigen Fanclubs. Daraus resultiert, dass sich die einzelnen Strukturen selbst und unabhängig voneinander organisieren und auch kaum gemeinsame Arbeit leisten.
Seit einiger Zeit versucht das „Fangremium“ (ein von allen offiziellen Fanclubs gewählter Verbund von Fanvertretern) die Dachverband-Rolle einzunehmen und wird vom Verein als erster Ansprechpartner und Mittler eingesetzt. Da dieses Gremium allerdings große Akzeptanzdefizite gerade bei den inoffiziellen Gruppierungen hat und bereits mehrfach durch interne Querelen auffiel, ist der Versuch bisher erfolglos geblieben.
Die organisierte Fanszene besteht im Kern aus den Ultragruppen, der Kohorte und der Proud Generation Duisburg (PGDU), die sich beide 2007 gründeten, nachdem sich die bis dato führende Gruppierung „Ultras Duisburg“ (DU) aufgelöst hatte. Viele der damaligen UD-Mitglieder waren noch lange Jahre Teil der Kohorte. Einige wenige sind es noch, die meisten sind mittlerweile nicht mehr beim Fußball aktiv oder in anderen Gruppen organisiert.
Neben den beiden Ultra-Gruppen haben noch die „Fanatics Duisburg“ einen recht bekannten Namen in der Fanszene. Neben vielen Alteingesessenen haben in den letzten Jahren viele ehemalige Mitglieder der Kohorte ihren Weg zu den Fanatics gefunden, denen die neuen Entwicklungen in der Ultrakultur zunehmend fremd geworden waren und dort eher ihre Vorstellungen verwirklichen konnten. Zusammen mit einer Hand voll weiteren Gruppen sind sie im Block 10 im Oberrang der Nordkurve zu finden.
Als nach wie vor berüchtigt gilt die Hooligan-Gruppe „Forever Duisburg 1980“, die zu den Hochzeiten des Hooliganismus deutschlandweit bekannt war und auch heute noch ein großes Standing bei einem Großteil der MSV-Anhängerschaft besitzt.
Die Schlagzeilen über die MSV-Fans waren aber in den vergangenen Jahren meist negative. Wie ihr eventuell mitbekommen habt, gab es massive Übergriffe vor allem auf die Kohorte durch rechte und rechtsextreme Fans und Gruppen, bei denen vorrangig die „Division Duisburg“ (mittlerweile aufgelöst) und „Toastbrot Duisburg“ zu nennen sind. Daraus lässt sich bereits erkennen, dass die Fangemeinde des MSV diesbezüglich seit längerem starke Probleme hat, aber wir sind an den Problemen dran ;). Neben diesen sehr öffentlich wirksam auftretenden Gruppierungen tummeln sich aber auch etliche kleinere Gruppen an der Wedau, die in verschiedenen Bereichen Arbeit für den Spielverein leisten. Als stellvertretende Beispiele sind der Fanclub Innenhafen, die Rainbow-Zebras, die Ruhrzebras, die Rolli-Flitzer, ZEBRAlution oder die Lucky Zebras zu nennen.
Habt ihr besondere Fangesänge, so richtige Gassenhauer?
Der Zebra-Twist! „Zebrastreifen weiß und blau – ein jeder weiß genau – das ist der MSV!“ dürfte wohl den meisten Fußballfans in Deutschland bekannt sein. Ansonsten gibt es noch ein paar gängige Lieder, die in ähnlicher Form auch in anderen Stadien zu hören sind. Ein besonderes Lied ist sicherlich noch das „19 Jahre Oberhaus“, das den meisten von uns beim Singen immer wieder eine Gänsepelle bereitet. Wenn ihr heute die Ohren spitzt, könnt ihr es vielleicht hören ;).
Welche Mannschaften sind für euch diese Saison in der Favoritenrolle?
Das vorherzusagen, hat sich in den letzten Jahren ja immer als recht schwierig dargestellt. Wir denken aber schon, dass Osnabrück und Erfurt wieder zu den möglichen Favoriten gehören. Ansonsten sind die Absteiger aus der zweiten Liga auch nicht gänzlich abzuschreiben, ebenso wie Chemnitz, Großaspach oder ihr.
Nun mal speziell für unsere Auswärtsfahrer: Was muss man in Duisburg gesehen haben und was gibt es Wissenswertes über eure Stadt?
Da gibt es einiges, auch wenn man es bei dem schlechten Ruf der Stadt nicht denken mag. Als absoluter Klassiker ist auf jeden Fall der Landschaftspark Nord bei Nacht zu empfehlen, der die alte Industrieromantik der Stadt sehr schön repräsentiert. Weitere Attraktionen sind der Innenhafen und die Rheinpromenade in Duisburg-Ruhrort. Ebenfalls sehr schön ist der Rheinpark in Duisburg-Hochfeld. Für Kulturliebhaber unter euch wären das Lehmbruck-Museum oder das Museum Küppersmühle im Innenhafen sehr interessante Anlaufstellen. Wer auf eine schöne Landschaft oder sportliche Ertüchtigung aus ist, dem sei der Sportpark Wedau rund um das Wedaustadion ans Herz gelegt.
Für einen entspannten Abend bei einem gepflegten Bier würden wir den Dellplatz empfehlen, wo in zahlreichen Kneipen und Restaurants einem netten Abend (bei gutem Wetter besonders draußen) nichts im Wege steht.
Abschließend, was genau hat es mit Zebras stehen auf, auf sich? Wie seid ihr aufgebaut und was ist euer Anliegen?
Wir haben uns aus den unterschiedlichsten Ecken der Fanszene zusammengefunden und haben vom Studenten bis hin zur Rentnerin so ziemlich alles in unseren Reihen, was man sich vorstellen kann. Viele von uns haben sich bereits vor „Zebras stehen auf“ politisch und gesellschaftlich engagiert, sodass wir auf reichlich Erfahrung und Kontakte zurückgreifen können. Durch die bunte personelle Mischung fließen zudem teils sehr unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen mit unsere Arbeit ein, von denen wir sehr stark profitieren.
Unser Ziel ist in erster Linie: Aufklärungsarbeit leisten, um rechten und menschenverachtenden Strömungen und Tendenzen in Duisburg und speziell beim MSV entgegen zu wirken. Dazu haben wir in den vergangenen Jahren einige Aktionen und Veranstaltungen auf die Beine gestellt, z.B. im Rahmen der FARE-Action-Weeks.
Unser letztes großes Projekt war eine Gedenkstättenfahrt nach Ausschwitz für junge MSV-Fans, mit denen wir für die Thematik des Nationalsozialismus und des Antisemitismus sensibilisieren möchten.
Wer sich für unsere Veranstaltungen oder unsere Aktivitäten interessiert, kann sich jederzeit auf unserer Internetseite (http://zebrasstehenauf.blogsport.de) informieren
Vielen Dank für das Interview und die Beantwortung die Fragen. Wir wünschen euch für die Saison alles Gute. Aber keinen Sieg gegen den SCP ;)